4 Tage Horizonterweiterung | Von Gevim nach Berlin

Ein Rückblick auf den intensiven israelisch-deutschen Austausch vom 02.-06.06.2024

Diesen Sommer stand zum ersten Mal das Austauschprogramm zwischen israelischen Studierenden des Sapir Colleges und Studierenden der KHSB des Seminars „Internationalization at home“ in Berlin an. Studierende und Lehrende auf beiden Seiten waren schon in den Wochen zuvor sehr gespannt und in freudiger Erwartung auf die Begegnung. Im Rahmen eines ersten Kennenlernens, das online stattfand, entstanden bereits wirklich interessante Gespräche über alle möglichen Themen, sowohl studienbezogen als auch über ganz alltägliche und lebenspraktische Dinge.

Am Sonntag, den 02.06.2024 war es dann endlich soweit! Unsere Gäste aus Israel waren eingetroffen und gemeinsam mit einigen Studierenden der KHSB startete der erste Programmpunkt – eine Stadtführung durch Berlin Mitte mit Fokus auf die Hackeschen Höfe. Wir konnten sehr viel lernen und uns zum ersten Mal persönlich kennenlernen. Das gegenseitige Interesse war sehr groß und es entstanden direkt lustige Gespräche, denn nachdem die Israelis wegen der Flugreise nur sehr wenig geschlafen hatten, waren alle etwas müde und benommen.

Als die Stadtführung vorbei war, ging es noch ins Restaurant und alle freuten sich über gutes Essen und ein leckeres Getränk! Der Austausch ging genauso angeregt weiter und es gab viele Gesprächsthemen, wie zum Beispiel über das Leben in Tel Aviv und Berlin. Wir konnten feststellen, dass es doch einige Gemeinsamkeiten gibt, da beide Städte sehr divers sind, aber z.B. leider auch über wenig Wohnraum verfügen.

Nach dem Essen zog eine kleine Gruppe noch auf ein Getränk in eine Kneipe. Wir zeigten den Israelis die Friedrichshainer Gegend und es war besonders überraschend für sie, dass die Getränkepreise so günstig sind. Am Schluss haben wir uns verabschiedet, schon ganz gespannt auf den nächsten Tag.

Der erste offizielle Programmpunkt startete morgens in der Uni. Zum Einstieg gab es ein großes Hallo von allen Seiten und einige Reden der Dozentinnen Prof. Dr. Franziska Wächter, Dr. Rebecca Ranz und unserer Hochschulpräsidentin, Prof. Dr. Gabriele Kuhn-Zuber. Die Reden verdeutlichten die emotionale Anspannung bzw. Erleichterung aufgrund der langen Unsicherheit inwiefern der Aufenthalt überhaupt erfolgen würde. Dann gab es noch einige Gastgeschenke. Anschließend folgte eine Präsentation über das Sapir Academic College. Wir haben viel Neues gelernt, zum Beispiel, dass 8000 Studierende das Sapir Academic College besuchen und es der größte Arbeitgeber in der Region ist.

Danach folgte auch schon das erste unserer drei großen Themen für die Tage: ‚Immigration‘. Wirklich sehr interessant, was wir da alles gelernt haben! Wusstet Ihr, dass Jüd*Innen auf der ganzen Welt, ob religiös oder nicht, immer willkommen in Israel sind und dort als Staatsbürger*Innen aufgenommen werden? Dies nennt man auf Hebräisch auch Alija – also das „zurückkehren“ von Jüd*Innen nach Israel. Es wurde auch über die Organisation und die Problematiken im Asylverfahren berichtet. In einem anschließenden Diskurs ging es noch einmal darum, diesbezügliche Unterschiede und Gemeinsamkeiten festzustellen und es wurde sich sehr angeregt ausgetauscht. Spannend, wie vielfältig hier die Meinungen und Erfahrungen ausfielen – auch unter den KHSB’ler*Innen!

Wir, die Studierenden der KHSB berichteten dann über die Berliner Einrichtung HERO Future für Geflüchtete, die wir anschließend auch besuchten. Davor gab es noch Mittagessen, einige nahmen dies in der Mensa zu sich. Wir haben uns einer Kleingruppe angeschlossen und wir aßen Döner und Falafel an der Eberswalder Straße, die auf halber Strecke zur Einrichtung lag. Bei HERO wurden wir sehr herzlich und mit vielen Leckereien begrüßt. Wir haben viel gelernt und viele Fragen gestellt –  wir hätten noch eine sehr lange Zeit dort sitzen können, um uns über die Arbeit mit geflüchteten Menschen auszutauschen.

 

Aber der Tag war noch lang nicht vorbei. Während einige von uns den Gropius Bau mit der Ausstellung „Circles of Light“ besuchten, machte sich der Rest der Gruppe auf den Weg ins Hotel oder zum Shoppen. Später gab es noch ein lustiges Treffen in einer Bar, es wurde viel geredet und noch mehr gelacht! Was für ein schöner Tag!

Während der ganzen Zeit spielte auch die politische Situation in Israel und der Krieg eine Rolle. Wir spürten, dass die israelischen Studierenden Sorgen hatten. Die Sorge davor, ob sie in Deutschland diskriminiert werden würden. Die Sorge um Angehörige und die Geiseln. Die Verarbeitung von den vielen traumatischen Erlebnissen war noch im vollen Gange. Deswegen war es uns, umso wichtiger unsere Wärme zu zeigen. Es scheint, als hätte das sehr gut geklappt.

Auch die vermeintliche Sprachbarriere war kein Problem, wir hatten alle kein perfektes English und dennoch war es ein wahrhaftig tiefer Austausch.

Die israelischen Studierenden gaben uns das Feedback. Wir bekamen noch zwei Wochen nach dem Austausch Nachrichten wie:

„it was a open heart and open mind meeting“

„the best experience! An opportunity to meet other culture, great people & learn so much on our world”

“we learn a lot, have a lot of fun and really got to know each other”

Auch im Seminar waren die Rückmeldungen für sich sprechend:

„Sehr wertvolles Seminar, das einen guten Einblick in die soziale Arbeit außerhalb Deutschlands gibt und so die Arbeit zu Hause besser wahrnehmen lässt.“

„Vor allem der private Austausch nach den Seminaren war unglaublich bereichernd“

„Toll, die Menschen als Individuen mit all ihren Perspektiven, Erfahrungen und Geschichten kennen zu lernen, die sonst so oft nur als Gruppe beschrieben werden“

Dieses Foto entstand nach einem sehr fordernden Tag mit vielen Programmpunkten. Doch zwischen uns war etwas so Wichtiges, etwas so Wertvolles und Fruchtbares entstanden, dass wir jede Minute miteinander auskosten wollten und meistens noch bis in die späte Nacht beieinander waren. Dabei waren die Themen oft schwer, trotzdem haben wir es geschafft eine gewisse Leichtigkeit nicht zu verlieren. Es gab gleichermaßen Tränen wie Freudensprünge.

Natürlich waren auch die Sozialen Professionen Gesprächsthema. Wir haben gelernt, dass die Community Arbeit in Israel, beispielsweise in den Kibbuzim, eine ganz andere Rolle spielt als in Berlin. Wir haben uns darüber ausgetauscht, wie unterschiedlich die Finanzierungen (oft Stadt-Land-Diskrepanz) sein können und in welcher Weise, das die Angebotsform beeinflusst. Beispielsweise haben wir festgestellt, dass nur weil ein Projekt besser finanziert ist, es nicht qualitativ besser sein muss. Manchmal macht Not kreativ und manchmal macht Wohlstand nachlässig. Gleichzeitig waren die israelischen Studierenden beispielsweise beeindruckt von der „Casa Moabit“, einem betreuten Wohnangebot für Jugendliche, das ziemlich gut finanziert zu sein schien, da sie das so aus ihrer Umgebung nicht kannten und die prekäre Finanzierung natürlich schon belasten kann.

Wir sprachen über viele, viele Themen und begegneten uns auch auf einer sehr individuellen Ebene und tauschten uns zum Beispiel über Musik aus.

Gemeinsam entdeckten wir die Einrichtungen in Berlin, zum Beispiel „PEARS -jüdischer Campus“. Es war toll, dort mit den israelischen Studis zu sein, nachdem wir schon eine Bindung aufgebaut haben und ganz offen über unsere Gedanken sprechen konnten. Auch für sie war es spannend eine lebendige jüdische Einrichtung außerhalb Israels zu sehen.

Danach brach auch schon der letzte gemeinsame Abend an, wo sich versprochen wurde, dass es nur vorerst der letzte Abend sein soll. Ich glaube wir wissen alle, dass wir in Israel nun Menschen haben, die uns dort ein Bett anbieten würden und andersrum, wir ihnen in Berlin.

Wir sind unglaublich glücklich, dass uns diese Chance mithilfe von, vor allem Franziska Wächter, Rebecca Ranz und dem DAAD, geboten wurde. Wir hoffen sehr, dass auch andere Kohorten diese Erfahrung machen können, da sie uns einen wahren Einblick gegeben hat. Wir sind zum einen dankbar für die Möglichkeit MIT Individuen einer Gruppe zu sprechen, ÜBER die sonst hauptsächlich gesprochen wird. Außerdem für die Perspektivenvielfalt auf soziale Professionen und die kulturelle Vielfalt, die wir kennen lernen durften. Am wichtigsten war natürlich der persönliche Kontakt über den wir Unzähliges gelernt und mitgenommen haben.

Frauke Brügger und Hanin Rahtgens

 

Gefördert vom DAAD aus Mitteln des Auswärtigen Amts (AA)

Fotos: privat