Klimagesundheit: Empowerment in Zeiten des Klimawandels: Proaktives Handeln gegen die Angst

Das KiezTalks-Team hat an seinem Klausurtag am 16. Februar 2024 für die inhaltliche Projektplanung in 2024 den Entschluss gefasst, sich mit dem Thema „Klimaangst bei jungen Menschen“ zu befassen. Veröffentlichungen  zeigen auf, dass immer mehr junge Menschen besorgt in die Zukunft blicken und verstärkt unter den psychischen Auswirkungen des Klimawandels leiden. So reicht in Regionen, die regelmäßig von Naturkatastrophen heimgesucht werden, das Spektrum von posttraumatischen Belastungsstörungen bis hin zu Depressionen. Auch subtilere Veränderungen wie extreme Hitze werden als belastend wahrgenommen. Forscher*innen warnen, dass der Klimawandel zu einer zunehmenden psychischen Belastung wird.
 

Klimaangst bei jungen Menschen: Eine weltweite Herausforderung
Junge Menschen weltweit leiden unter „Klimaangst“, wie eine internationale Studie von 2021 herausgefunden hat. 59% der Befragten im Alter von 16-25 Jahren sind „sehr“ oder „extrem“ besorgt. Besonders stark betroffen sind Länder wie die Philippinen, Indien und Brasilien. Diese Ängste führen zu negativen Emotionen wie Trauer, Angst und Wut. Diese Studienergebnisse werden zusätzlich von der Studie „Die Angst der Deutschen 2023“ des R+V-Infocenter gestützt (siehe Abb.). Eine zentrale Erkenntnis der Befragung ist, dass sich viele Menschen in Anbetracht des voranschreitenden Klimawandels von der Politik alleingelassen fühlen.

 

Abb. | R+V-Infocenter/ „Die Ängste der Deutschen 2023“

 

Starke Stimmen für den Klimaschutz durch Bürger*innenbeteiligung im Bereich der Klimapolitik in Deutschland
Dem „alleingelassen fühlen“ durch die Politik setzen Initiativen wie Fridays for Future, Scientists for Future und Bürger Begehren Klimaschutz e.V. ein gegenläufiges Zeichen. Sie machen sich für mehr Aufmerksamkeit und Handeln gegen den Klimawandel stark. Bereits 2021 lief der bundesweite Bürgerrat Klima und auch der Berliner Bürger:innenrat hat seine Handlungsempfehlungen im Juni 2022 an den Senat und das Abgeordnetenhaus übergeben.

Zudem hat sich das Bundesministerium für Naturschutz, Umweltschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) 2021 zum dritten Mal mit dem Thema Klimaangst bei Jugendlichen befasst. Eine wichtige Rolle nahm hierbei der Jugendprojektbeirat ein. So heißt es in ihrem Abschlussbericht Zukunft? Jugend fragen! 2021, dass junge Menschen mit ihrer Expertise für jugendliche Alltags- und Lebenswelten diesen mitgestalteten sowie intensiv in das Projekt eingebunden waren. Hierzu gehörte die Auswahl der forschungsleitenden Fragen und Themen, Konzeption, Durchführung der empirischen Untersuchungen und öffentliche Vorstellung der Ergebnisse.

Besonders aktuell ist zudem die Stellungnahme zu den „Auswirkungen der Klimakrise auf die mentale Gesundheit“ für den Unterausschuss Globale Gesundheit des Deutschen Bundestags vom 10. Februar 2024. Hier heißt es, „Steigende Temperaturen und die Zunahme von Extremwetterereignissen, das Artensterben und die zunehmende Verschmutzung von Luft, Böden und Wasser gefährden nicht nur unsere Lebensgrundlagen, sondern auch unsere Gesundheit. Empirische Erkenntnisse deuten darauf hin, dass neben der physischen und sozialen auch die mentale Gesundheit negativ durch den Klimawandel beeinflusst wird.“
 

Klimaangst und Selbstfürsorge: Ein Psychologe über den Umgang mit dem Klimawandel

Malte Klar, psychologischer Psychotherapeut an der Berliner Charité und Unterstützer von Psychologists/Psychotherapists for Future, betont in einem Interview, dass eine gewisse „Klimaangst“ gesund und motivierend sei. Die Klimakrise sei Realität und erfordere ein Handeln. Doch es kommt darauf an, wie wir mit dieser Angst umgehen. Verdrängung kann zu Problemen führen, während Achtsamkeitsübungen helfen könnten, die Angst anzunehmen und zu verstehen. Die Wichtigkeit von Achtsamkeitsübungen bei Klimaangst wird von Jutta Dreyer, eine Familientherapeutin und Coachin, ebenfalls gestärkt. Klar weist darauf hin, dass Selbstmitgefühl dabei essenziell ist, im Gegensatz zum destruktiven Selbstmitleid. Auch der Umgang mit Wut muss bewusst gewählt sein, um das Gegenteil von gewünschten Effekten zu vermeiden. Klar betont, dass regelmäßige Beschäftigung mit der Klimakrise wichtig ist, aber in Maßen, um Überlastung zu verhindern.

Jugendliche, so Klar, erleben Gefühle intensiver und sind stark von der Klimakrise betroffen. Wenn sie sich engagieren, ist das bewundernswert, birgt jedoch die Gefahr einer zu frühen Erwachsenenrolle. Eltern sollten in ehrlichem Gespräch bleiben und gemeinsame Aktivitäten zum Klimaschutz fördern. Warnzeichen für Angststörungen oder Depressionen bei Jugendlichen seien unter anderem soziale Rückzüge oder plötzliche Leistungseinbrüche. Klar zeigt auf, im Zweifel professionelle Unterstützung zu suchen.

Abschließend betont er, dass wir uns trotz der Klimakrise bewusst glücklich fühlen können, wenn wir auch schwierige Gefühle zulassen. Die Krise birgt auch die Möglichkeit zur persönlichen Weiterentwicklung und kann zu einer Gesellschaft führen, die sich für eine nachhaltige Zukunft einsetzt. Wenn wir eine attraktive Vision für die Zukunft entwickeln, könnte dieses eine Kraft für eine große Transformation freisetzen - zu einer Gesellschaft, die auf Nachhaltigkeit und Gemeinschaft setzt. Worin ebenfalls der Antrieb für das gesamte ZfS-Projekt und die KiezTalks liegt – zu einem zukunftsorientierten Kulturwandel beitragen zu wollen. | KL

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Foto | Markus Spiske/ Unsplash